Zum Inhalt wechseln
  • Startseite
  • Über uns
    • Kontakt
    • Ideen & Ziele
    • Vorstand
    • Vereinsgeschichte
    • Beitragsarchiv
  • Historisches
  • Opfer der Weltkriege
  • Termine
    • Terminkalender
    • Fotos
  • Mitglied werden
  • Startseite
  • Über uns
    • Kontakt
    • Ideen & Ziele
    • Vorstand
    • Vereinsgeschichte
    • Beitragsarchiv
  • Historisches
  • Opfer der Weltkriege
  • Termine
    • Terminkalender
    • Fotos
  • Mitglied werden
Zurück zur Übersicht

Die Geschichte eines Stalingradkämpfers als Mahnmal gegen die Schrecken des Krieges

Isidor Chalupar (vulgo Schuster) ist am 30. Jänner 1912 in Schlag 7 geboren († 17. August 1994) und war dort auch wohnhaft.

Als einer der wenigen Stalingradkämpfer schrieb er seine Kriegserinnerungen im Frühling 1985 auf Drängen seines Sohnes Erwin nieder.

Isidor war überdies Mitglied des ÖKB OG Grünbach bei Freistadt.

Am 1. März 1940 wurde ich, Isidor Chalupar, Schuhmacher und Landwirt, mit 28 Jahren, zum Militär nach Linz in die Maximilian-Kaserne (Landwehrkaserne II + III) in die Derfflingerstraße einberufen. Dort waren wir nebenan in Baracken untergebracht. Dort kam ich zur sMG (Anm. schweres Maschinengewehr) Kompanie. Unsere Kompanie hatte drei Züge mit je vier schweren Maschinengewehren, die auf Lafetten aufgebaut wurden, sowie einen Granatwerferzug mit sechs schweren Granatwerfern (Durchmesser 8,1 cm). Nach zweimonatlicher Ausbildung wurden 18 Mann von unserer Kompanie nach Neudorf bei Parndorf im Burgenland abkommandiert. Ich war bei diesen 18 Mann dabei. Es wurde dort unsere 297. Infanterie-Division zusammengestellt. Es gab viele Übungen, auch Nachtübungen. In der letzten Woche wurden wir auf Güterwaggons verladen und es ging ab nach Aachen. Nach dem Ausladen dort begann der Marsch in den Krieg gegen Frankreich.
Wir waren eine bespannte Einheit. Die sMG und Granatwerfer wurden verladen und die Mannschaft musste zu Fuß hinter den Wagen gehen, 30-60 Kilometer pro Tag. Einmal mussten wir von 4 Uhr früh bis 8 Uhr abends 65 Kilometer weit marschieren. Als wir Nachtruhe machten, sagte der Feldwebel: „Wer jetzt bei Nacht zwei Stunden Wache steht, der kann morgen zwei Stunden auf dem Wagen aufsitzen.“ Ich meldete mich, obwohl ich schon müde war. Doch das Aufsitzen am nächsten Tag tat mir gut.
Ich, als junger Soldat mit dem Band zur Ostmedaille am 2. Knopfloch und dem Verwundetenabzeichen in Schwarz (1943)

Es war nämlich sehr heiß. Schließlich kam ein Gewitter. In einem Dorf, durch das wir marschierten, konnten wir ein bisschen unterstehen. Ich hatte großen Durst. So fing ich mir mit dem Kochgeschirr Regenwasser von der Dachrinne auf. Doch leider bekam ich das dann zu spüren, denn das Wasser war nicht rein.
Unser Regiment war einstweilen in Frankreich noch nicht im Kampf eingesetzt worden, deswegen zogen wir noch als Reserve hinterher. In der Vorstadt von Paris sagte uns abends unser Hauptmann, dass wir uns morgen zum Angriff bereitmachen müssen. Um 4 Uhr geht es los. In der Früh weckte uns die Wache und sagte uns, dass die Franzosen Waffenstillstand gemacht haben. Da waren wir aber froh, dass wir nicht ins Kampfgetümmel gekommen waren. Der Hauptmann aber meinte: „Schade, dass wir uns nicht bewähren konnten.“


Wir blieben drei Tage in diesem Vorort. Dann zogen wir zu einem Bahnhof und wurden verladen. Wir wussten nicht, wo es mit uns hingeht. Wir fuhren immer gen Osten. Nach drei Tagen kamen wir in Polen an. Wir wurden ausgeladen und übernachteten in einem Waldlager südöstlichen in Polen. Es waren teils gemauerte, teils hölzerne Baracken. Es standen dort zehn solche in einem Umkreis von 800 Metern. Als Schütze 4 war ich zu einem Maschinengewehr zugeteilt. Bei dieser Übersiedlung wurde ein Pferdehalter von einem Pferd verletzt und kam ins Lazarett. An seine Stelle kam ich und so hatte ich nun zwei Reitpferde zu pflegen. Insgesamt hatten wir 38 Zug- und 22 Reitpferde. Diese 60 Pferde hatten wir alle in einem Stall untergebracht. So groß war dieser. Anfangs war ich ein wenig scheu zu den Pferden, denn zu Hause hatten wir nie welche. Nach und nach gewöhnte ich mich aber an sie. So war meine neue Arbeit das Füttern und Putzen. Alle zwei Tage wurden sie ausgeführt, damit sie Bewegung hatten. Aber auch Reiten musste ich lernen, was mir anfangs auch schwerfiel. Aber auch das war mit der Zeit zu lernen und gewöhnen.


Wir blieben in diesem Waldlager von Juli 1940 bis April 1941. Dann zogen wir fast bis zur russischen Grenze.

Meine Pferde mit dem Gepäckwagen. (1941)

Am 21. Juni 1941 um halb 4 Uhr früh ging der Krieg gegen Russland los. Unsere Flieger bombardierten und die Artillerie schoss auch zehn Minuten lang, was sie nur konnten. Unsere Pferde haben wir halten müssen, so verängstigt waren die. Nach diesem Höllenlärm ist dann unsere Kampftruppe vorwärtsgestürmt. Es gab viele russische Tote und Gefangene, denn bei dem plötzlichen Angriff von unserer Seite konnten sie nicht mehr so schnell zurücklaufen. Auch wir hatten unsere Verwundeten. Mit den Pferden mussten wir immer 5-10 Kilometer hinter der Kampftruppe bleiben, damit die Pferde und Wägen gesichert waren. Nur abends oder bei Nacht mussten Verpflegung und Munition nach vorne gebracht werden.
So ging es immer weiter ins Innere Russlands hinein. Manchmal ging es schnell voran. Dann jedoch verschanzten sich die Russen wieder gut, sodass unsere Soldaten zwei oder drei Tage brauchten, um den Feind aus den Stellungen zu vertreiben.

Anfang August 1941 waren wir am Fluss Donez. Es waren schöne und heiße Tage, während wir zuvor sehr schlechtes Wetter hatten, sodass wir oft im Dreck steckenblieben. Das war sehr schlecht. So hat uns der Bataillonskommandeur erlaubt, umherlaufende Pferde einzufangen und als Vorspann zu nehmen. Dazu wurde auch ein gefangener Russe zugeteilt. Auch ich bekam einen Russen, der Gregor hieß. Anfangs war er etwas ängstlich, doch bald wurde er zutraulich. Er war das Rauchen gewöhnt. Ich rauchte nicht. Daher gab ich ihm immer die paar Zigaretten, die wir bekamen. So wurde er hilfsbereit. Er schaute sich um das Futter und Wasser für die Pferde um, wenn wir abends wo übernachteten und ich kümmerte mich um die Verpflegung.

Soldaten der 6. Armee auf dem Vormarsch in Russland. (Foto: Bundesarchiv)
Soldaten der 6. Armee auf dem Vormarsch in Russland. (Foto: Bundesarchiv)

An diesem Abend, als wir übernachten wollten, kam der Melder zu mir und sagte, ich müsse zum Holen der Verpflegung und des Futters mitfahren. Ich trug Gregor auf, gut für die Pferde zu sorgen und dann zu schauen, wo wir schlafen könnten. Zirka zehn Meter von unserem Wagen entfernt, stand ein verhältnismäßig schönes Haus. Er solle schauen, ob wir nicht in diesem Haus schlafen könnten. Als ich zurückkam, war es schon halbdunkel. Gregor stand bei seinen russischen Kameraden. Ich fragte ihn, wo wir schlafen könnten. Er meinte: „In diesem Haus nix gut. Es sind Leute drinnen.“ Ich fragte etwas ärgerlich, wo wir sonst schlafen sollen und er zögerte etwas und sagte dann: „Ich bringe Stroh und wir legen uns unter den Wagen. Regnen wird es nicht.“ So krochen wir unter den Wagen und deckten uns gut zu.

Wir schliefen schon, als uns um zirka 11 Uhr die russischen Bomben weckten. Es war nämlich in diesem Ort ein Munitionslager gewesen und so bombardierten sie dieses Lager und kamen auch zu uns mit vier großen Bombeneinschlägen. Eine traf das Haus neben uns. Wir zwei unterm Wagen zogen uns die Decke über das Gesicht. Erde flog auf unsere Decke. Gottseidank kein Bombensplitter, aber 30 Zentimeter über unseren Köpfen hat es zwei Radspeichen aufgerissen und in dem Haus, in dem ich schlafen wollte, wohnte ein älteres Ehepaar mit deren Tochter. Die waren beide tot und die Tochter im Gesicht und an den Händen zerschunden. Sie hat sich selbst aus dem Schutt befreien können. Wenn ich darin geschlafen hätte, wäre ich vielleicht auch tot gewesen. Das war also eine schreckliche Nacht und wir zogen am Morgen gleich weiter. Wir waren zwölf Fahrzeuge. Aber nach dieser Schreckensnacht folgte etwas Erfreuliches. Wir kamen in ein Dorf, das eine Kolchose bildete. Sie hatten nur Schweine, die aber schon weggebracht wurden, sodass die Stallungen leer waren und wir unsere Pferde einstellen konnten.


Eines Tages kam der Bursche des Kompaniechefs zu mir und sagte: „Komm mit mir zum Chef!“ Er war etwa 300 Meter von uns entfernt in einem schönen Haus einquartiert, das einem Ukrainer gehörte, der Deutsch in Wort und Schrift konnte. Dieser Ukrainer erzählte dem Chef, dass er im 1. Weltkrieg von den Österreichern gefangen wurde und in den Jahren von 1915 bis 1919 in Freistadt in einem Gefangenenlager war. Er fungierte als Dolmetscher, denn er beherrschte die deutsche Sprache in Wort und Schrift, und holte noch dazu von unserem Nachbar zu Hause, vom Thomas, die Milch für den Lagerkommandanten. So war er neugierig, ob von dieser Gegend einer in der Kompanie sei. Der Bursche wusste, dass ich aus der Nähe von Freistadt bin und so hat er mich rufen lassen. Der Ukrainer hat sich über mich gefreut. Er war sehr neugierig, wie es meinen Eltern geht. Er kannte sie gut. „Und wie geht es dem Thomas?“, wollte er wissen. Damals waren zwei Kinder da. Der Hans, der eingerückt war und die schöne, gute Marie, die damals um die 20 Jahre alt war. Wen sie geheiratet hat, wollte er wissen und ich antwortete ihm: „Den Nadlhofer Franz.“ Er dachte ein wenig nach und sagte: „Den kenne ich auch! Wie viele Kinder haben sie?“ „Einen Buben, den Franz, der auch eingerückt ist und ein Mädchen, die Maridl.“, sagte ich. Unser Chef gab uns eine Stunde Zeit zum Plaudern. Er war sehr neugierig, denn er kannte fast alle Dorfleute. Ob sie alle noch im Dorf sind und wohin sie geheiratet haben, wollte er wissen.


Die nächsten acht Tage kam er abends nach Arbeitsschluss immer zu mir und wir plauderten. So lange blieben wir dort. Er war Vorarbeiter von der Kolchose. Als solcher musste er in der Früh alle aufschreiben, die zur Arbeit gekommen waren und ihnen auch die Arbeit zuteilen. 40 bis 50 Leute hatte er unter sich. Das Gebiet war so groß wie eine mittlere Gemeinde bei uns. Dazu gehörten 10 bis 15 Traktoren. Das Gebiet ist ganz eben und die Größe der Felder in etwa 10 bis 15 Hektar. Ich fragte ihn, was er verdiene. Seine Antwort war, dass dies verschieden sei und vom Ernteertrag abhänge. Die Ernte wird gewogen oder geschätzt und die Arbeitstage werden zusammengerechnet. Für Dieselöl und Maschinen wird etwas abgezogen und der Rest auf die Arbeiter aufgeteilt. Im Durchschnitt kommt dann acht bis zehn Kilo Weizen pro Tag heraus. In einem guten Jahr kamen sie auf etwa 13 Kilo pro Tag.
Der Ukrainer hatte eine Kuh und ein Schwein zu Hause, die ihm seine Frau fütterte und betreute. Wenn er abends zum Plaudern kam, brachte er immer eine Flasche Milch mit. Zum Abschied dann eine Flasche Milch und sogar einige Eier. Auch einen Brief hatte er geschrieben, den ich per Feldpost, Thomas schicken sollte. Das tat ich auch gleich, sowie ich selbst von der Begegnung mit dem Ukrainer ausführlich berichtete. Die Briefe kamen zu Hause gut an.

Ich, mit dem Russen
Ich, mit dem Russen, der von 1915 bis 1919 als Kriegsgefangener in Freistadt war. (August 1941)

Es war im Oktober 1941. Mit zehn Wägen beladen mit Gepäck und Munition lagen wir in einer Mulde. Zwei Kilometer nördlich davon grenzte ein Wald und gegenüber lag unsere Einheit in Stellung. Zu ihnen mussten wir unsere Ladung bringen.
Das Gebiet von der Mulde, wo wir uns befanden, bis zum Wald konnte vom Feind eingesehen werden. Daher konnten wir nur in der Dunkelheit weiterfahren. Wir mussten noch vor dem Hellwerden den Wald erreichen. Mit drei Wägen fuhren wir los. Ich als Erster und der Unteroffizier saß bei mir auf dem Wagen und zeigte mir den Weg. Es war sehr dunkel als wir den Wald erreichten. Doch auf einmal blieben die Pferde stehen und schauten erregt. Ich wollte sie antreiben, doch sie rührten sich nicht. Der Unteroffizier befahl mir abzusteigen und nachzuschauen was los sei. Ich stieg ab und ging vor die Pferde und da sah ich zwei tote Russen vor mir liegen. Ich wälzte sie zur Seite und die Fahrt ging weiter.

Wir mussten noch zwei Stunden durch den Wald fahren bis wir auf unsere Einheit stießen. Wir spannten die Pferde aus und banden sie im dichten Unterholz an den Bäumen fest, damit sie geschützt waren, denn der Feind beschoss uns noch immer. Danach brachten wir unseren Kameraden die Verpflegung und die Munition. Sie hatten drei Tote und fünf Verletzte, die wir am Abend mitnehmen mussten.


Bei den Toten war auch ein Feldwebel dabei, der schöne Stiefel trug. Einem Fahrer von uns, aus Oberschlesien, gefielen diese Stiefel sehr gut. Er sagte, er wolle die Stiefel dem Feldwebel ausziehen und sich nehmen. Ich meinte, er solle es nicht tun, denn er bekomme sicher Schwierigkeiten. Ich richtete meinen Wagen für die Verwundeten her, denn zwei davon waren schwer verletzt und konnten nur liegend transportiert werden. Ich legte kleine Äste auf den Wagen und breitete eine Rossdecke darüber, damit sie weicher lagen. Die drei anderen Verwundeten konnten sitzen. Der Oberschlesier bekam die drei Toten zum Transportieren. Er sagte noch vor der Abfahrt, er werde sich die Stiefel noch holen. Ich ermahnte ihn noch einmal, dass er es nicht tun solle. Dieses Gespräch hörten zum Glück auch die verwundeten Kameraden mit. Denn als wir am Abend in unserem Quartier ankamen, hatte der tote Feldwebel tatsächlich keine Stiefel mehr an. Das sah unser Kompaniechef und fragte, wer ihm die Stiefel ausgezogen habe. Der Oberschlesier sagte, er wisse von nichts. Daraufhin durchsuchte der Kompaniechef alle Wägen. Und auf meinem Wagen, unter einer Decke, fand er sie schließlich. Er schrie mich an und wollte wissen, warum ich das getan hätte. Ich sagte ihm, dass ich die Stiefel nicht versteckt habe, sondern der Oberschlesier. Darauf meinte er, ich solle es ihm beweisen. Ich ging mit ihm zu den verletzten Kameraden, die ich gefahren habe, und sie bestätigten meine Unschuld. Der Oberschlesier gestand dann, dass er die Stiefel zur Täuschung in meinem Wagen versteckt hatte.

Nächsten Tag meldete der Kompaniechef den Vorfall dem Bataillonskommando. Dieses verurteilte den Oberschlesier für ein halbes Jahr in eine Strafkompanie. Nach drei Monaten kam die Nachricht, dass er gefallen sei. Er hatte sich sicher nicht vorstellen können, dass der Diebstahl solche Folgen mit sich brachte. Wenn ich damals nicht die Verwundeten als Zeugen gehabt hätte, wäre ich zur Strafkompanie geschickt worden und wäre vielleicht auch gefallen.

Später, im November 1941, war ich wieder einmal als Fahrer eines Gepäckwagens eingeteilt. Es regnete schon einige Tage und die Straßen waren schon so aufgeweicht, dass wir bis zu den Knöcheln im Dreck standen. Die Straßen sind nämlich nicht geschottert wie bei uns. Wir kamen abends in ein Dorf und suchten einen Platz für die Pferde. Wir hatten zehn Fahrzeuge, beladen mit Gepäck und Munition. Das Dorf lag in einem kleinen Tal mit einem Bach in der Mitte. Fünf unserer Fahrzeuge fanden auf der drüberen Seite des Baches einen Unterstand. Ich war auch unter diesen fünf.

In der Nacht regnete es weiter, sodass die Brücke überschwemmt wurde. Aus dem kleinen Tal wurde ein See und wir wussten nicht so recht, was wir tun sollten, denn wir mussten doch auf die andere Seite zu den Anderen.
Unser Unteroffizier nahm sein Reitpferd und suchte die Böschung mit der Straße. Nach längerem hin und her fand er sie schließlich. Er prägte sich den Verlauf der Straße gut ein. Dann kam er zurück und sagte wir könnten nun hinüberfahren. Wir müssten aber immer einen Vorspann nehmen, damit wir nicht stecken bleiben. Zu mir sagte er, ich soll vorspannen und genau hinter ihm nachreiten und die Pferde gut antreiben. Das Wasser ging den Pferden bis zum Bauch. Zuerst wollten sie nicht ins Wasser, aber wir trieben sie immer fester an. Uns so kamen wir gottseidank gut hinüber. Nun mussten wir wieder zurückreiten und den zweiten Wagen holen. Danach wechselten wir die Pferde und nach und nach brachten wir alle fünf Wägen glücklich über den See herüber.

Wir zogen weiter. Es war Herbst und es regnete sehr viel. Die Straßen waren so aufgeweicht, dass wir tief im Dreck fahren mussten. Als dann in der dritten Novemberwoche plötzlich die Kälte kam, mussten wir in der Früh die Wagenräder mit den Krampen lockern. Es hatte gleich 15 Minusgrade. Anfang Dezember fing es dann zu schneien an. 40 Zentimeter Schnee fürs Erste. Dann blies der kalte Wind eine Woche lang sehr stark und weiterer Schnee fiel, sodass wir 50 bis 60 Zentimeter Schnee hatten und wir kaum weiterkamen mit unseren Pferdewägen und wir nach einem Winterquartier Ausschau hielten. Als wir ein größeres Dorf erreichten, verteilten wir uns in den Häusern. Die meisten Häuser waren ohnehin leer, sodass wir leicht Platz fanden. Die Kälte nahm zu und zu Weihnachten hatte es bis zu minus 30 Grad und wir waren über die Einquartierung sehr froh. Doch musste stets Wache gestanden werden, bei Nacht sogar ein Doppelposten. Bei 30 Grad Kälte aber kann man nicht stehen, sondern muss hin und hergehen, da man sonst erfriert. Ich habe mir dennoch die Ohren und Zehen gefroren. Einige Kameraden mussten wegen erfrorenen Füßen ins Lazarett.

Zirka einen Kilometer nördlich unseres Dorfes hat ein größerer Wald angefangen. Daraus kamen öfters Wölfe bis zu unserer Wachstellung. Einen Wolf haben wir erschossen. Das Fell hat sich der Leutnant, unser Zugführer, genommen und für einen Bettvorleger nach Hause geschickt. Das Wolfsgeheule hörten wir jede Nacht, doch blieben sie sodann fern.

Zu Weihnachten im Jahre 1941 wurde unser Bataillonskommandeur krank und kam ins Lazarett. Statt ihm kam ein junger Kommandeur. Da in nächster Zeit keine feindlichen Angriffe zu erwarten waren, die Russen lagen etwa eineinhalb Kilometer gegenüber von uns in einem Dorf, ordnete der neue Kommandant jeden Tag Frühsport an. Um halb acht Uhr früh, marschierten wir, zirka 60 Mann, der Rest musste Wache schieben, 800 Meter zum Quartier des Kommandanten. Bekleidet waren wir nur mit Hosen und Pullovern, aber ohne Mützen. Nachdem der Unteroffizier unsere Ankunft gemeldet hatte, mussten wir das Lied „Schön ist’s bei den Soldaten“ singen. Danach durften wir wieder in unser Dorf zurücklaufen. Nächsten Tag hatten sich bereits sechs Mann krankgemeldet. Zwei Männer mit Lungenentzündung, drei Männer hatten Angina und Einer hatte sich die Ohren gefroren. Am zweiten Tag wurden wieder acht Männer krankgemeldet. Diesen Vorfall meldete der Sanitäter dem Bataillonsarzt. Dieser ging zornig zum Kommandeur und schimpfte, warum er die Männer bei so einer Kälte und halbbekleidet Frühsport machen lasse. Wenn die Krankmeldungen noch mehr werden, würden bald keine Männer mehr für die Wache da sein. Und für die Russen wäre es ein Leichtes uns zu überrumpeln. Der Arzt verlangte die sofortige Einstellung des Frühsportes, ansonsten würde er Meldung an den Divisionskommandeur machen. Die meisten Erfrierungen waren an den Ohren, der Nase und an den Fingern. Auch ich habe mir die Ohren gefroren. Ich habe mir noch lange danach mein aufgesprungenes Ohr behandeln lassen müssen.

Ein Feldwebel, der schon beim österreichischen Heer gedient hatte, erzählte uns, dass sie im Winter, wenn es kälter als Minus zwanzig Grad Celsius war, nicht mehr ins Gelände hinausmussten und in der Kaserne bleiben konnten und dort Unterricht über Waffen, deren Reinigung und Funktion bekamen. Außerdem wurde die Kleidung ausgebessert und die Kaserne geputzt. Und so ein Spinner von Bataillonskommandeur, wie wir ihn hatten, ließ uns bei diesen Temperaturen, ohne Rücksicht auf die Gesundheit der Soldaten, ein Lied singen. Wir haben sicher nicht aus Begeisterung, sondern vielmehr aus Zorn mitgesungen. Solche und ähnliche sinnlose Befehle bekamen wir öfters.

Die Temperatur sank und sank und war Ende Jänner 1942 bei Minus 48 Grad angelangt. Allmählich ging sie wieder auf minus 30 Grad zurück. So blieb es bis März und Mitte März hatte es schon 15 Grad Plus. Anfang April kam ein Föhnsturz über Nacht, der den Schnee zum Schmelzen brachte. Acht Tage lang hielt dieser Föhn an, auch tagsüber, und am Ende waren die 70 Zentimeter Schnee weggeschmolzen und alles schwamm im Schneewasser. In weiteren zwei Wochen war alles schön grün und Mitte April konnte man schon alles anbauen. Man sagt ja, dass es in Russland kaum einen Frühling gibt, weil der Übergang vom Winter zum Sommer so schnell vor sich geht, wenn man bedenkt, dass zwischen 30 Grad Minus Anfang März und 10 oder 20 Grad Plus im April, nur ein Monat dazwischenliegt. Bei uns zuhause verteilen sich Temperaturunterschiede zwischen Winter und Frühling auf zwei oder drei Monate. Die Kälte schwindet nur allmählich und besonders bei Nacht kommt sie immer wieder.

Divisionspfarrer Dr. Alois Beck
Divisionspfarrer Dr. Alois Beck spricht zu einem Marschbataillon vor Stalingrad 1942. (Foto: Pinterest)

Als es allmählich trockener wurde, wurden unsere Kampftruppen wieder aktiv. Es wurde heiß gekämpft bis sich die Russen wieder zurückzogen. Mehrere unserer Soldaten fielen, so wie es auch viele Verwundete gab. So kämpften wir uns schließlich am südlichen Teil des Mittelabschnittes Richtung Stalingrad zu. Im Oktober 1942 kam es zur Bombardierung Stalingrads. Acht Tage lang flogen die Bomber ununterbrochen, bis fast alles zerstört war. Das war ein Höllenlärm. Unsere Division kam 15 Kilometer südlich von Stalingrad zum Einsatz. Unsere Pferde blieben zehn Kilometer hinter uns mit drei Männern in einer Mulde zurück. Am 19. November griffen die Russen dann mit 2000 Panzern an. 1000 Panzer nördlich von Stalingrad und 1000 Panzer südlich von Stalingrad. Sie stießen unsere Linien etwa 50 Kilometer beiderseits zurück und schlossen sich hinten, also hinter unseren Munitions- und Verpflegungslagern bei Kalatsch, die sie gleich eroberten, zusammen. So waren wir von den russischen Panzern eingeschlossen.


28 Tage lang blieben sie bei unseren Verpflegungslagern und ließen es sich gut gehen. Wir konnten nichts davon holen, sodass die Verpflegung für 300.000 Mann eingeflogen werden musste und sie für jeden Mann rationiert wurde. Für zwölf Mann gab es ein Kilo Brot. Die Pferde wurden nach und nach geschlachtet. So bekamen wir einmal am Tage eine warme Pferdesuppe mit einem kleinen Stückchen Fleisch drinnen. Das war anfangs bitter und der Magen krachte uns erbärmlich. Ich dachte dann oft an die Sprichwörter „Hunger ist der beste Koch.“ und „Hunger tut weh!“ Wir haben es verspürt. Warmen und schwarzen Kaffee gab es auch nur einmal am Tag. Ein Kamerad fand einmal einen Rossschädel im Schnee. Wir hackten den gefrorenen Schädel in kleine Stücke, sodass wir die Knochen, viel mehr war es nicht, in unserem Kochgeschirr mit Schneewasser zum Kochen brachten und so zusätzlich eine warme Suppe hatten.


In der dritten Woche ließ der Hunger etwas nach, aber wir wurden immer schwächer. Nach vier Stunden immer wieder zwei Stunden bei einer Kälte von Minus 30 Grad und leerem Magen Wache stehen, war bitter. Da friert man erst recht.

Frontverlauf der Kesselschlacht von Stalingrad
Frontverlauf der Kesselschlacht von Stalingrad. (1942-1943)
Die Russen drückten nun gegen Stalingrad. Zu Weihnachten am Heiligen Abend war es windstill und mondhell. Wir waren im freien Gelände, in Gräben und Bunkern. Die Russen lagen zirka 250 Meter gegenüber. Sie fingen an Musik durch Lautsprecher zu spielen, auch Weihnachtslieder wie „O Tannenbaum“ und „Stille Nacht“ in deutscher Sprache. Dann hörte die Musik auf und es sprach von drüben: „Deutsche Soldaten und Kameraden! Wir wissen genau, dass ihr fast nichts mehr zu essen habt und auch schon geschwächt seid. Ergebt euch! Wir garantieren euch nach Kriegsende eine Heimkehr. Wenn ihr euch nicht ergebt und weiterkämpft, werden die meisten von euch vernichtet werden. Das wollt ihr sicher nicht. Also ergebt euch!“ Einem Nachbarposten von uns ist die Rede zu dumm geworden und hat mit seinem MG zum Russen hinübergeschossen. Sogleich hörte das Sprechen auf und nun fingen sie an einen Feuerüberfall mit Stalinorgeln und Granatwerfern auf uns zu machen. Es war schrecklich. Es dauert bis Mitternacht bis wieder Ruhe war. Einige Kameraden waren verwundet. Dann kam der Kompaniechef und der Divisionspfarrer und wünschte uns „Frohe Weihnachten!“ Ich wurde zum Obergefreiten befördert, was auch eine Freude für mich war.
Divisionspfarrer Dr. Alois Beck
Divisionspfarrer Dr. Alois Beck (Foto: Pinterest)

Am 7. Jänner musste ich Posten stehen. Ich sah, dass mein Vorgänger durch einen Kopfschuss getötet worden war. Ich dachte, so etwas könnte mir auch passieren.


Wir waren drei Mann neben dem Laufgraben in einem Erdbunker, wo wir auch schlafen konnten. Zwei Meter daneben hatten wir das Maschinengewehr in Stellung. Der Feind lag etwa 250 Meter gegenüber, da hieß es, dass man bei der Wache gut aufpassen soll, damit sie uns nicht überrumpeln konnten. Wir standen immer zwei Stunden Wache und vier Stunden hatten wir Ruhe. Am 14. Jänner 1943 hatte ich Wache von 5 bis 7 Uhr früh. Dann weckte ich den Kameraden, der mich ablösen sollte. Der sagte, er könne nicht Wache stehen, weil ihm so schlecht ist und er Bauchweh hat und ich einen anderen Kameraden wecken solle. Ich sagte, dass ich das nicht mache, weil der erst vor zwei Stunden draußen war und jetzt gut schläft. „Wenn du wirklich nicht Wache stehen kannst, so stehe ich nochmals zwei Stunden Wache bis der andere Kamerad wieder an der Reihe ist.“, sagte ich. Ich ging wieder zum Postenstand und beobachtete die feindliche Linie. Und da passierte es. Um 8 Uhr morgens bekam ich von einem feindlichen Scharfschützen einen Kopfschuss, der einen Nerv verletzte, der zum rechten Fuß führte. Der rechte Fuß war sofort gelähmt.


Bei Tag konnte ich nicht zurückgebracht werden, da uns der Feind gesehen hätte. So musste ich bis zum Abenddunkel im Bunker warten. Dann schleppten mich zwei Kameraden zur Sanitätsstelle zurück, denn ich konnte ja nicht mehr gehen. Da kamen drei Verwundete zusammen. Am nächsten Abend wurden wir per Pferdeschlitten zum Hauptverbandsplatz gefahren. Bei Minus 30 Grad Kälte hatte dennoch jeder nur eine Decke, sodass wir sehr froren. Am Hauptverbandsplatz war ein großes Zelt aufgestellt, in dem die Verwundeten lagen. Ich musste dort drei Tage liegen. Es war wieder sehr kalt und wir froren. Bei Nacht wurden die Verwundeten ausgeflogen bis Lalz, das zirka 200 Kilometer entfernt war. Als das Flugzeug in Stalingrad ankam, herrschte Geschrei und Wirbel, weil jeder gleich mitwollte. Es flogen jeden Abend zwei oder drei Flugzeuge mit Verwundeten raus. 25 bis 30 Mann nahm ein Flugzeug mit an Bord. Im Zelt waren aber 160 bis 180 Verwundete. Am zweiten Tag kamen nur zwei Flugzeuge. Da stürmten etwa 30 Mann, die gehen konnten, hin und wollten gleich einsteigen. Da kamen zwei Offiziere mit vorgehaltener Pistole und trieben wieder alle zurück ins Zelt und sagten: „Morgen kommen fünf Flugzeuge, dann wird das ganze Zelt geräumt.“ Und wirklich kamen am nächsten Tag fünf Flugzeuge und das Zelt wurde leer. Ich kam noch mit dem letzten Flugzeug mit. Es war auch das Ende von diesem Flugplatz. Der letzte Flugplatz Gumrak fiel am 21. Jänner 1943 in russische Hände. Es konnte kein Flugzeug mehr landen, denn die Russen waren schon dort. Das Wache stehen für den Kameraden, der Bauchweh hatte, war für mich ein Glück. So kam ich wegen meiner Verwundung aus dem Hexenkessel Stalingrad heraus.

Infanterie-Division Zeichnung
Unsere 297. Infanterie-Division im südlichen Kessel von Stalingrad.

Als wir rausgeflogen wurden bei Nacht beschossen uns die Russen mit ihrer Flak, sodass wir ihre Leuchtspurgeschosse bei unseren Flugzeugfenstern vorbeifliegen sahen. Wir dachten, dass es uns jetzt treffen würde. Da stellte der Pilot den Motor leise, also auf Leerlauf. So hörten sie uns nicht mehr und das Schießen hörte auf und so kamen wir durch die gefährliche Zone. Um 11 Uhr kamen wir in Lalz am Flugplatz an. Wir haben gefroren. In einem Lastwagen wurden wir in eine Schule zum Übernachten gebracht. Im Vorhaus sah ich einen Eimer halbvoll mit Reissuppe. Ich fragte den, der uns das Zimmer zeigte, wo wir schlafen können und, ob wir von dieser Reissuppe etwas essen dürfen. Er sagte: „Schon, aber sie ist ja kalt!“ Mein Kamerad, der mich schleppte, nahm das Kochgeschirr und füllte es halbvoll. Im Zimmer aßen wir sie gemeinsam. Das hätten wir nicht tun sollen. Es war halt zu viel auf einmal. Wir erbrachen sie wieder und Durchfall bekamen wir auch. Wir mussten mit dem Essen ganz klein anfangen bis sich unsere ausgehungerten Mägen wieder erholt hatten. Nach zehn bis zwölf Tagen konnten wir erst wieder normal essen, aber das natürlich nur mäßig. Dann wurden wir mit der Bahn nach Polen gebracht, wo wir uns ein wenig in einem Lazarett erholen konnten.


Im April kamen wir Verwundete nach Norddeutschland nach Schleswig wieder in ein Lazarett. Nach einigen Wochen wurden wir nach Rheinsberg, nördlich von Berlin, verlegt. Im Juni wurden wir, also die die schon ziemlich gesund waren, nach Iglau in Böhmen zum Stammbataillon zur Genesungskompanie gebracht. Von dort bekam ich acht Tage Stalingradurlaub. Zweieinhalb Jahre war ich nun nicht mehr daheim.


Es war etwas aufregend die Heimat wieder zu sehen. Nach einigen Wochen bekam ich dann Gebührenurlaub für drei Wochen. Da konnte ich daheim beim Dreschen helfen.

Text über Stalingrad
(Quelle: Redaktion Österreichisches Pressebüro)

Als ich im Urlaub daheim war, bekamen wir die traurige Nachricht, dass mein Bruder Emil in Russland gefallen ist. Es war traurig. Ich sah ihn sechzehnjährig zum letzten Mal. Wir hielten eine Totenmesse für ihn. Er war der Fünfte der bei uns beim Militär war.

Mein zweitjüngster Bruder Emil ist am 27. September 1943 gefallen. Er fiel mit 19 1/2 Jahren in der Ukraine in der Blüte seiner Jahre. In seinem letzten Brief schrieb er noch: „Wir marschieren täglich 30 bis 40 Kilometer rückwärts. Zwei Wochen konnten wir uns schon nicht mehr waschen und die Wäsche wechseln. Beneide meinen Kameraden Anton Aufreiter – er war vom Dorf – und fiel im April ’43. Betet für mich!“ Als dieser Brief ankam, war Emil schon nicht mehr am Leben.

Emil Chalupar
Mein Bruder Emil (geb. 13.4.1924; gef. 27.9.1943)

Ich wurde inzwischen wieder frontdiensttauglich und kam nach Krumau in Böhmen. Dort wurde unsere Division wiederaufgefrischt und zusammengestellt. Nach Weihnachten wurden wir auf die Bahn verladen und nach Albanien gebracht. Dort wurden wir zur Partisanenbekämpfung eingesetzt. In Albanien ist es sehr bergig und wir mussten immer bergauf und bergab. Im Frühjahr regnete es so viel, dass fast alle Bäche und Flüsse übergingen. Von Juni bis September 1943 regnete es dafür überhaupt nicht. Da verdorrte alles, denn es hatte 35 bis 40 Grad Plus. In kleinen Feldern, die sie bewässern konnten, bauten sie Mais, Tabak, Wein, Kartoffeln und Kraut an. An den Berghängen waren Nuss- und Olivenbäume gepflanzt. Tabak wurde viel angebaut und ins Ausland verschickt. Es wurden auch viele Schafe und Ziegen gehalten. Manche Schafe blieben den ganzen Sommer auf der Alm, natürlich mit einem Schafhirten und einem Hund. Das Essen wird ihm hinaufgebracht. Der Hund muss aufpassen, dass der Lämmergeier nicht die kleinen Lämmer stiehlt und reißt.


Die Frauen in Albanien spannen noch mit der Handspindel wie vor zwei bis dreitausend Jahren. Das geht so: Die locker gezupfte Wolle wickeln sie auf eine Latte, die etwa 80 Zentimeter lang ist. Sie steckten sie in den Hüftbund des Kittels. In der rechten Hand halten sie ein 30 Zentimeter langes Stäbchen mit einem Gewicht am unteren Ende. Mit diesem Schwungstäbchen wird der Faden gedreht und aufgewickelt. Die Frauen spannen auch beim Gehen. Zum Beispiel, wenn sie ins Dorf Einkaufen gingen. Der Esel ist das Tragtier, auf dem sie alles aufladen, sodass sie ihre Hände immer zum Spinnen freihaben.


Ich habe einer Frau gezeigt, dass meine Mama auch spinnt, aber mit einem Spinnrad, das man mit dem Fuß tritt. Sie hat es verstanden und gesagt: „Aha! Maschine!“ Vielleicht hat sie schon irgendwo ein Spinnrad gesehen, weil sie sich gleich auskannte.


Im Herbst 1943 kamen wir in ein Dorf, wo einige Baracken leer standen. Dach machten wir halt und bezogen sie sogleich. Wir waren zwei Wochen dort, da überrumpelten uns die Partisanen. Es war eine Mordsschießerei im Finsteren in der Nacht, doch wir trieben sie zurück. Wir hatten einige Verwundete. Nächsten Tag suchten wir das Gelände ab. Da fanden wir einen von ihnen tot auf. Er musste ein Anführer gewesen sein, denn man fand bei ihm 40 Mitgliedskarten, die wir natürlich nicht lesen konnten. Als wir nach der Schießerei in die Baracken zurückkamen und etwas aßen, spürte ich etwas Hartes zwischen den Zähnen. Als ich es herausnahm, war es eine Gewehrkugel, die in meinem Brot steckte.
Am Nachmittag fiel uns auf, dass unser Leutnant und sein Bursche noch nicht da waren. Wir suchten nochmals das Gelände ab, aber fanden sie nicht. Nächsten Tag hat ihn der Posten zirka 150 Meter weit weg gesehen und hat dem Posten gewunken, er solle zu ihm kommen. Der Posten meldete dies sogleich dem Zugführer. Dieser ging mit einem Trupp in die Richtung, wo er gesehen worden war. Sie fanden aber niemanden dort. Später erfuhren wir, dass die Frau des Leutnants von dieser Gegend stammte und er also sehr vertraut mit der Gegend war. Nun hat er den nächtlichen Angriff genutzt, um mit seinem Burschen überzulaufen. Wir haben von den beiden nie wieder etwas gesehen oder gehört.
Weil einer von unseren Pferdeführern verwundet war, wurde ich wieder zu den Pferden abkommandiert.


Im Juni 1944, lagen wir am Meer und hatten einen Tag Rast. Wir wuschen die Wäsche und badeten im Meer. Von dort stieg ein Berg von 1.600 Metern hoch an. Diesen Berg mussten wir am nächsten Tag besteigen. Um 4 Uhr in der Früh marschierten wir los. Es war ein Fußweg in Serpentinen angelegt. In der Früh war es ja noch kühl, aber um 9 Uhr brannte die Sonne schon unbarmherzig auf den Sand und die Steine nieder, dass man kaum schauen, sondern nur blinzeln konnte. Wald gab es keinen, nur Steine und Stauden. Alle zwei Stunden machten wir eine halbe Stunde Rast. Jeder hatte acht bis zehn Kilo Gepäck zu schleppen. Soviel habe ich nie mehr geschwitzt wie damals. Um halb 3 Uhr nachmittags kamen wir endlich am Gipfel an. Es war eine größere, halbwegs ebene Fläche. Ein Schafhirte mit zirka 60 Schafen und einem Hund war auch oben, denn auf dieser Ebene gab es Sträucher und Grasbüscheln. Der Schafhirte blieb mit den Schafen den ganzen Sommer über auf dem Berg. Einmal in der Woche brachte ihm jemand das Essen hinauf und schaute ihm nach wie es ihm geht. Wir fragten ihn, ob Wasser hier oben wäre. Er sagte, dass es hier oben kein Wasser gäbe, aber dort hinten in der Schlucht ist noch Schnee und den könnten wir zum Kaffeekochen nehmen. Das taten wir dann auch. Es wurde ein guter Kaffee. Nach dieser Stärkung sagte der Feldwebel zu mir, ich soll ein ebenes Plätzchen suchen und die Steine zur Seite räumen, damit wir drei Zelte aufstellen konnten. Ich machte mich gleich an die Arbeit und räumte die Steine zur Seite. Da sah ich hinter einem Stein zwei Skorpione. Ich erschlug sie sofort. Denn ein Stich von einem Skorpion kann tödlich sein. Es lagen viele Steine herum und als ich einen großen Stein zurückwälzte, lag zu meinem Schrecken eine schwarze Schlange dahinter. Ich war so erschrocken, dass ich momentan nicht in der Lage war sie zu erschlagen. Doch sie ist sofort weggekrochen.


Wir haben die Zelte aufgestellt für die Nacht. Obwohl ich vom Bergsteigen müde war, schlief ich schlecht. Im Traum kam mir die schwarze Schlange unter, die mich so erschreckt hatte. Ich dachte mir, so ein Vieh könnte bei Nacht wiederkommen. Bei einer Temperatur von 35 Grad kann so ein Getier gut gedeihen. Für immer möchte ich nicht in diesem Land leben. Von dieser Berghöhe konnte man mit dem Fernglas über 80 Kilometer bis nach Italien sehen. Nächsten Tag gingen wir wieder auf der anderen Seite den Berg bis auf halbe Höhe hinunter. Wenn wir in Albanien einen Berg über 1.000 Meter Seehöhe besteigen mussten, bekamen wir eine Rippe Schokolade als Zusatz zur Verpflegung. Einmal bekamen wir 18 Rippen Schokolade auf einmal, so oft hatten wir einen Tausender zu besteigen. Wir hätten aber gern auf die Schokolade verzichtet.


Wir zogen den Winter über mit Ross und Wagen gen Norden nach Sarajewo und danach weiter bis nach Ungarn. Aber in Jugoslawien hat sich noch etwas zugetragen. Es war ein enges Tal mit Straße und Bach. Wir fuhren aufwärts. Auf einmal flog ein Flugzeug über uns. Es war ein Aufklärer. Er meldete uns bei seiner Bombenstaffel und kaum zwanzig Minuten später waren schon fünf feindliche Bomber aufgetaucht, die uns derart stark bombardierten. Ich duckte mich in den Straßengraben und hielt die Pferde mit der Leine fest. Als der Spuk vorbei war, sah ich meine Pferde blutend. Einem Pferd hatte es den Fuß abgeschlagen, das andere hatte im Rücken ein faustgroßes Loch. Mir ist gottseidank nichts passiert. Ich stand da und wusste nicht, was ich tun soll. Mit meinen Pferden konnte ich nicht mehr weiterfahren. Da kam der Unteroffizier von hinten nach und sah meine Bescherung. Er sagte: „Deine Pferde können nicht mehr weiter. Wir müssen sie ausspannen und erschießen. Dort hinten hat es einen Fahrer getötet. Du kannst seine Pferde ausspannen und an deinen Wagen einspannen und weiterfahren.“ Bei diesem Fliegerangriff haben wir vier Pferde, zwei Mann und den Küchenwagen verloren. Ja, so ist es halt im Krieg.


Als wir nach Ungarn kamen, wurde ich wieder zur Kampfgruppe überstellt. Zirka 50 Kilometer unterhalb von Fünfkirchen (heute: Pécs) übersetzten wir bei Nacht die Drau und griffen im Morgengrauen die Russen an. Wir schlugen sie einige Kilometer zurück. Um zirka 9 Uhr vormittags machten wir halt, um uns zu stärken. Da brachen auf einmal die Russen hervor und trieben uns ein Stück zurück. Bis zur Nacht zogen wir uns hinter einen Bahndamm zurück, um gute Deckung zu haben. Bei Nacht aber kamen die Russen bis zum Bahndamm. Das war aufregend, da sie gleich auf der anderen Seite waren, während ein Kamerad und ich uns hier ein Loch zur Deckung gruben. Wir waren schon den zweiten Tag ohne Verpflegung, sodass wir hungerten. In meinem Brotbeutel fand ich noch eine Schnitte Brot und aß diese. Mein Kamerad schaute mich an und sagte, er habe auch Hunger, habe aber kein Brot mehr. So gab ich ihm die Hälfte von meinem. Er war mir dankbar.


Wir wechselten uns beim Wache stehen immer ab. Am Abend sagte ich zu ihm: „Leg dich schlafen! Ich steh jetzt Wache und werde dich schon wecken, wenn auch ich schlafen will.“ Er legte sich gleich nieder. Es war ruhig und auch nicht zu kalt. So stand ich Wache bis um Mitternacht. Dann erst weckte ich ihn. Wenn er müde wird, solle er mich wieder wecken. Ich schlief gut und als ich erwachte, war es schon hell und bei Tag. Ich schaute gleich nach meinem Kameraden. Er lag neben dem Maschinengewehr. Ich glaubte zuerst, er war eingeschlafen, doch als ich ihn wecken wollte, merkte ich, dass er bereits tot war. Er hatte einen Kopfschuss bekommen. Er war ein guter Kamerad und ich war froh, dass ich Stunden zuvor noch mein letztes Brot mit ihm geteilt hatte.


Zu Mittag kam der Unteroffizier und brachte Verpflegung, sowie er den toten Kameraden zurücktrug und mir einen neuen Kameraden nach vorne schickte.
Am Abend setzten wir uns ab und gingen 100 Meter zurück wieder in Stellung. Am nächsten Abend sagte ich zu meinem Kameraden, er solle jetzt Wache halten, um mich um 11 Uhr zu wecken. Dann wache ich bis um 2 Uhr. Um Mitternacht wurde ich plötzlich munter. Ich ging zum Kameraden und sah, dass er tot war. Er bekam einen Herzschuss. Nun habe ich in zwei Tagen zwei Kameraden verloren. Und ich war wieder allein bei der Wache. Am nächsten Tag zogen wir uns einen Kilometer zurück.


Nach zwei Tagen, am 15. März 1945, kamen die Russen schon wieder nach. Diesmal aber mit Panzern. Wir schossen mit der Panzerfaust vier Stück ab, doch es waren einfach zu viele. So überrannten sie uns. Wir wollten zurücklaufen. Da schoss mir ein Russe mit einer Maschinenpistole nach und traf mich am Oberschenkel. Ich warf das Maschinengewehr gleich weg und kroch auf allen Vieren weiter. Da kamen auch schon die Russen herbei und riefen: „Halt!“ So mussten wir uns ergeben und es kamen auf einem ein Kilometer breiten Abschnitt 70 Gefangene zusammen. Wir wurden ein Stück zurückgetrieben. Wegen des Oberschenkeldurchschusses konnte ich schlecht gehen. Zwei Kameraden ließen mich einhaken und sie stützten mich. Nach etwa einem Kilometer machten wir halt. Dort mussten wir dann alles ablegen: Brotbeutel, Kochgeschirr und Feldflasche. Zudem mussten wir alle Rock und Hosentaschen ausleeren, also Messer, Löffel, Kamm und Rasierapparat. Einfach alles, was wir in den Taschen hatten, mussten wir auf den Boden hinlegen. Dann hieß es: „Kehrt! Marsch!“ und wir mussten mit den leeren Taschen weggehen. Wir hatten rein gar nichts mehr bei uns und wurden getrennt. Die Gesunden marschierten weg von uns, die Verwundeten wurden auf einen Lastwagen verladen und nördlich nach Fünfkirchen in eine Schule gebracht. Wir waren 35 Mann und kamen in einen Klassenraum. Es war etwas Stroh drinnen, auf das wir uns legen konnten. Zu Essen bekamen wir anfangs sehr wenig. Später wurde es etwas besser. Am Gang vor unserem Zimmer saß ein russischer Posten Tag und Nacht. Wenn wir aufs Klo gingen, mussten wir an ihm vorbei. Ein junger Arzt aus Hamburg war auch bei uns und betreute uns ein bisschen. Da war ein Schwerverwundeter bei uns, der von uns Blut gespendet bekommen sollte. Nun ging der Arzt von einem zum anderen und fragte, ob er Blut spenden wolle. Ich sagte, wenn es mir wegen der Verwundung nicht schadet, bin ich bereit dazu, um den Kameraden zu retten. So machte ich es. Wir beide wurden zusammengelegt Hand an Hand und das Blut wurde von mir genommen und ihm gleich eingespritzt. Es dauerte etwas länger als sonst. Nachher habe ich mir den blutbespritzten Arm im Waschraum draußen abgewaschen. Ich war froh, dass ich wieder auf mein Lager kam, da mir schwindelig wurde. Wir waren ja schlecht genährt. Der Schwerverwundete wurde durch mich gerettet. Er dankte es mir, als er wieder besser wurde. Mich freut es heute noch, dass ich ihn gerettet habe.


Einem Schwerverwundeten von uns musste ein Fuß abgenommen werden. Wir trugen ihn ins Ärztezimmer. Eine Krankenschwester war dabei und auch der Posten ging mit ins Ärztezimmer. Im Ärztezimmer jammerte der Kamerad, weil ihm jetzt ein Fuß abgenommen werden musste. Die Krankenschwester konnte Deutsch und tröstete ihn und sagte, dass es schon nicht so schlimm werden würde und, dass er bald wieder heimkomme und strich ihm mit der Hand über das Haar. Da sprang der Posten auf sie zu und riss sie weg von ihm und beförderte sie gleich raus. Wir haben sie nie wieder gesehen.


Auch Rumänen waren zu unserer Bewachung eingeteilt. Als am 8. Mai 1945 der Krieg für beendet erklärt wurde, haben sie sich so gefreut, dass sie mit ihren Gewehren öfters in die Luft schossen. Sie wussten nicht, was sie aus Freude machen sollten. Es waren mehrere Offiziere und Unteroffiziere mit einem Major als Kommandant. Der hat ein Festessen für sie in der Küche angeschafft und hat auch unseren Arzt zu diesem Essen eingeladen. Der rumänische Kommandant der Kaserne sagte zum Arzt, dass jetzt der Krieg aus ist und, dass er ihn nun nicht mehr als Feind betrachte, sondern als Mensch. Er meinte, wenn wir uns gut verhalten und arbeiten, dann wird es uns nicht schlecht gehen. Der Arzt fragte daraufhin, was jetzt mit Österreich nach Kriegsende geschieht. Der Kommandant sagte: „Österreich wird von den Siegermächten besetzt.“ Wie lange wisse er nicht. Es kann ein Jahr, fünf Jahre oder zehn Jahre sein. „Vielleicht ein Jahr.“, erwiderte der Arzt. „Aber zehn Jahre, das glaube ich nicht.“, meinte er. Und wirklich waren wir zehn Jahre von den Siegermächten besetzt. Das hätte keiner von uns geglaubt, dass wir die Besatzung so lange im Lande haben.


Ein Kriegskamerad aus Südtirol, der schon früher in der italienischen Armee in Afrika eingesetzt war, erzählte, er sei dort ein Kameltreiber gewesen, da diese die Munition und Verpflegung aufgepackt bekamen. In der Sandwüste sind die Kamele am besten geeignet. Sie können bis zu sieben Tage ohne Wasser auskommen und brauchen auch nicht so viel Heu wie ein Pferd. Wenn sich ein Kamel vollsäuft, kommt das Wasser nicht gleich in den Magen, sondern in Extrakammern. Jeden Tag nimmt es sich das Wasser, etwa zehn Liter, von diesen Vorratskammern. Die Mannschaft musste sich auch für sechs bis sieben Tage mit Wasser versorgen bis wieder eine Wasserstelle gefunden wurde. Als ihnen einmal das Wasser ausging, weil sie es im Kampf verloren hatten, schlachteten sie ein Kamel. Dessen Wasserkammer wurde vorsichtig aufgemacht und die vorhandenen 40 Liter wurden zum Kochen und sogar zum Trinken genommen. Selbstverständlich hatte das Wasser Körpertemperatur, aber es war rein und hatte weder einen schlechten Geschmack noch einen schlechten Geruch. Das zeigt, dass ein Kamel rein für das Überleben in der Wüste geschaffen worden ist.
Wie wir im Zimmer lagen, fragte einer den anderen, wo er im Kampf eingesetzt war. In Russland oder anderswo. So erzählte auch ich, dass ich in Stalingrad war und mit dem Flugzeug gerade noch herausgekommen bin. Nach ein paar Tagen kamen am Morgen zwei Wachposten und verlangten den Arzt und den, der in Stalingrad war. Das war ich. Als wir so miteinander geredet haben, wo wir überall waren, muss einer von uns den das weitergesagt haben. Der Arzt und ich mussten mitgehen. Wir wussten nicht wohin. Sie trieben uns einen Kilometer weit zu einem Lazarett, wo verwundete Russen waren. Dort bekamen wir jeder eine Hacke und mussten von meterlangen Scheitern Kleinholz machen. Eine Säge bekamen wir nicht. So mussten wir die Scheiter zuerst spalten und dann abhacken. Das war eine schwere Arbeit, weil wir keinen Keil hatten und die Scheiter trocken waren.


Öfters kam Einer zu mir heraus und sagte: „In Stalingrad viel kaputt!“ und wie viele ich dort getötet habe. Ich sagte, dass ich bei den Pferden war, aber das glaubten sie mir nicht. Wir Zwei hackten an dem Holz so gut es ging. Zu Mittag bekamen wir eine Suppe zu essen. Unsere Hände waren schon voller Blasen. Zu Mittag haben sie den Arzt zurückgebracht. Es kam dafür ein anderer Kamerad. Um 5 Uhr trieben sie uns wieder heim. Ich war zum Umfallen müde. Die nächsten Tage haben wieder je zwei Mann Holz hacken müssen. Der Arzt und ich nicht mehr. Die Nächsten haben schon eine Säge zum Abschneiden bekommen und auch mehr zu Essen. Den Arzt und mich haben sie bloß so geärgert und den Zorn an uns ausgelassen, weil wir in Stalingrad waren. Wahrscheinlich sind dort auch einige von ihnen verwundet worden. Nach einiger Zeit wurden wir in einem anderen Teil der Stadt untergebracht. Von da aus mussten wir, die schon arbeiten konnten, arbeiten gehen. Ich musste in der Schusterei arbeiten, die Schneider in der Schneiderei und die anderen am Bahnhof Verladearbeiten verrichten. Einige von uns und auch ich bekamen im Juli Malaria. Die Krankheit mit Schüttelfrost und hohem Fieber. Man kann nichts essen und hat großen Durst. Es dauerte zwei bis drei Tage bis es abklingt und kehrt aber in drei bis vier Wochen wieder.


Im August wurden wir nach Sofia in Bulgarien gebracht. Dann ging es nach drei Wochen wieder weiter nach Konstanza, eine rumänische Hafenstadt am Schwarzen Meer.
Nach einer Woche wurden wir, 52 Mann, krankheitshalber entlassen. Die Haare wurden uns noch kurz geschnitten. Mitte September bekamen einen Entlassungsschein. Ein Posten ging mit auf den Bahnhof und fragte, wann ein Zug nach Wien gehe und, ob wir mitfahren können. Als Verpflegung bekam jeder einen Kilo Brot mit auf die Reise. Nun ging es heimzu, aber langsam. Nach ein paar Stationen standen wir wieder einen Tag oder eine Nacht bis es endlich weiterging. Wir brauchten zwölf Tage bis nach Linz. Hier angekommen, ging ich zur Schwester Resi, die in der Unionstraße wohnte. Dort rasierte ich mich wieder und wusch mich gründlich. Das war eine Wohltat. Am nächsten Tag ging ich zum Schustermeister, von dem ich vor fünfeinhalb Jahren eingerückt war. Er freute sich, dass ich vom Krieg gut zurückgekommen war. Er sagte, ich solle heimfahren und schauen, was da los ist und mich ein wenig erholen. Aber danach soll ich gleich wieder zu ihm kommen und als Geselle arbeiten. Ich fuhr mit der Straßenbahn über die Nibelungenbrücke nach Urfahr. Der russische Posten kam herein und fragte mich nach einem Übertrittsschein, wie ihn die anderen Leute hatten. Ich hatte aber keinen. Er schrie: „Raus! Zurück!“ und so musste ich wieder nach Linz zurückgehen. Ich dachte, dass nach zwei Stunden wohl ein anderer Dienst habe und dieser mich durchlässt. So fuhr ich wieder los, aber als mich der Posten sah, schrie er: „Jetzt ist er schon wieder da! Sofort zurück!“ Nun wusste ich nicht, was ich tun sollte. Meine Schwester sagte, dass sich schon mancher Heimkehrer unter die Sitzbänke gelegt habe und so gut durchgekommen sei. Es war ein trüber Oktobertag. Die Leute hatten schon Mäntel an und so passte ich eine Straßenbahn ab, die ziemlich voll war und in der in einer Reihe einige Männer saßen. Ich ging hinein und sagte zu den Männern: „Ich will nach Urfahr und habe keinen Schein. Bitte lasst mich unter die Sitzbank legen und deckt die Mäntel drüber, damit mich der Posten nicht sieht.“ Sie sagten gleich: „Komm her und drück dich fest nach hinten, damit der dich ja nicht sehen kann!“ Und so drückte ich mich ganz unter die Bank und dachte: „Hoffentlich entdeckt er mich nicht.“ Ich hatte Glück, denn er sah mich nicht. Ich kroch erst in der letzten Station hervor. Nun war ich endlich in Urfahr herüben. Da noch kein Autobus nach Freistadt ging, suchte ich einen Lastwagen dahin. Ich fand einen, der mich mitnahm und so konnte ich schon abends meine Eltern, nach zwei Jahren, so halbwegs gesund wieder umarmen. Die Freude war beiderseits groß. Sie wussten ja nicht, dass ich überhaupt noch lebe und heimkomme. Über acht Monate hatten sie von mir kein Schreiben mehr erhalten und jetzt war ich am 15. Oktober 1945 endlich wieder zuhause in Schlag.

Mein Bruder Anton "Toni" Chalupar (geb. 2.8.1919), ausgezeichnet mit dem Infanterie-Sturmabzeichen in Silber und dem schwarz-weiß-roten Band des Eisernen Kreuzes 2. Klasse (EK II) im zweiten Knopfloch, mit meinen Schwestern Ottilie und Apollonia.
Emil Chalupar, Anton Aufreiter, Anton Chalupar
Das letzte Bild von Emil im Fronturlaub '43. Links: Anton "Toni" Aufreiter (gefallen im April 1943 in Russland); Mitte Anton "Toni" Chalupar; Rechts: Emil Chalupar (gefallen im September 1943 in Russland)
Nun kamen meine Eltern, sowie meine Nachbarn mit den zerrissenen Schuhen zum Flicken. Die Russen, die im Dorf einquartiert waren, erfuhren es bald, dass hier ein Schuster ist und kamen auch mit kaputten Schuhen zum Herrichten. Ich verbrauchte mein letztes bisschen Leder. Doch ohne Gewerbeschein bekam man keines. So entschloss ich mich die Arbeit beim Meister in Linz wieder anzufangen. Schlafen konnte ich bei meiner Schwester Resl in der Unionstraße. Ihr Mann war von der Gefangenschaft noch nicht heimgekommen. So hatte ich Platz bei ihr. In der ersten Arbeitswoche bekam ich aber schon wieder Malaria. Ich kam ins Spital zu den Barmherzigen Schwestern. Da bekam ich Spritzen und Tabletten. Nach zehn Tagen wurde ich entlassen. Seitdem war sie verschwunden und kam nie wieder. Gottseidank. Ich blieb über ein Jahr in Linz beim Meister, machte abends einen Zuschneidekurs und einen Buchführungskurs und bereitete mich so auf die Meisterprüfung vor. Ich legte sie am 14. Juni 1947 mit Erfolg ab. Ich kündigte dem Meister in Linz und sagte ihm, dass ich in 14 Tagen heim nach Schlag komme, weil meine Eltern schon warten und ich ihnen bei der Arbeit helfen kann.
5. Div.-Treffen in Wien am 11./12. September 1982
5. Div.-Treffen in Wien am 11./12. September 1982
Daten und Fakten
Download als PDF
Zurück zur Übersicht

Allgemeines

  • Impressum
  • Beitragsarchiv
  • Download: Beitrittserklärung
  • Download: Leitlinien
  • Download: Leitbild

Links

  • Österreichischer Kameradschaftsbund
  • Oberösterreichischer Kameradschaftsbund
  • Österreichisches Schwarzes Kreuz
  • Oberösterreichischer Kriegsopferverband
  • OÖ Traditionsverbände, Bürgergarden und Schützen
  • Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge
  • Österreichisches Bundesheer
  • Landespolizeidirektion Oberösterreich
  • Österreichischer Zivilschutzverband
  • Oberösterreichischer Landesfeuerwehrverband
  • Österreichisches Rotes Kreuz
  • Forum Wehrgeschichte Oberösterreich

© 2025 Alle Rechte vorbehalten | www.kameradschaftsbund-gruenbach.at | E-Mail: kontakt@kameradschaftsbund-gruenbach.at | Telefon: +43 660 535 07 58

_wappenElement 3@svg
Um unsere Webseite für Sie optimal zu gestalten und fortlaufend verbessern zu können, verwenden wir Cookies. Durch die weitere Nutzung der Webseite stimmen Sie der Verwendung von Cookies zu.
EinstellungenAkzeptieren
Manage consent

Privacy Overview

This website uses cookies to improve your experience while you navigate through the website. Out of these, the cookies that are categorized as necessary are stored on your browser as they are essential for the working of basic functionalities of the website. We also use third-party cookies that help us analyze and understand how you use this website. These cookies will be stored in your browser only with your consent. You also have the option to opt-out of these cookies. But opting out of some of these cookies may affect your browsing experience.
Necessary
immer aktiv
Necessary cookies are absolutely essential for the website to function properly. These cookies ensure basic functionalities and security features of the website, anonymously.
Functional
Functional cookies help to perform certain functionalities like sharing the content of the website on social media platforms, collect feedbacks, and other third-party features.
Performance
Performance cookies are used to understand and analyze the key performance indexes of the website which helps in delivering a better user experience for the visitors.
Analytics
Analytical cookies are used to understand how visitors interact with the website. These cookies help provide information on metrics the number of visitors, bounce rate, traffic source, etc.
Advertisement
Advertisement cookies are used to provide visitors with relevant ads and marketing campaigns. These cookies track visitors across websites and collect information to provide customized ads.
Others
Other uncategorized cookies are those that are being analyzed and have not been classified into a category as yet.
SPEICHERN & AKZEPTIEREN
Unterstützt von CookieYes Logo